In diesem Beitrag werden die geringe und die nicht geringe Menge von klassischen und auch modernen Betäubungsmittel behandelt.
In diesem Beitrag werden die geringe und die nicht geringe Menge von klassischen und auch modernen Betäubungsmittel behandelt.
Das Betäubungsmittelgesetz unterscheidet drei verschiedene Mengenbegriffe: Die geringe Menge, die nicht geringe Menge und die „normale“ Menge, also die Menge zwischen der geringen und der nicht geringen Menge.
Die geringe Menge wird beispielsweise in § 29 Abs. 5 BtMG thematisiert und ermöglicht es den Gerichten von einer Strafe abzusehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. §31 a BtMG bietet sodann auch schon der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit (keine zwingende Rechtfolge!) das Ermittlungsverfahren einzustellen.
Warum gibt es denn überhaupt diese Einstellungsmöglichkeit für die Staatsanwaltschaft? An dieser Stelle möchte ich Körner, Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz §31 a Rz 6 zitieren:
„Da 60% aller BtM-Verfahren Eigenkonsumsdelikte, vornehmlich von weichen Drogen, ausmachen, ist die Vorschrift des § 31 a BtMG aber gleichzeitig auch ein Produkt der Erkenntnis, dass die Justiz mit dem Strafrecht als ultima ratio nicht alles schützen kann und mit der Konzentration der Strafverfolgung auf Konsumenten und Abhängige nicht nur kontraproduktiv arbeitet, sondern auch ihre Kräfte vergeudet. Sie muss deshalb entsprechend dem zwingenden verfassungsrechtlichen Übermaßverbot sich auf ihre wesentlichen Aufgaben, nämlich die Strafverfolgung sozialschädlicher Schwerkriminalität konzentrieren, wenn sie nicht am Ballast der Bagatellvergehen ersticken will ...“
Hört sich alles schön an. Aber seit spätestens Laotse wissen wir, dass schöne Worte nicht wahr und wahre Worte nicht schön sind. Also schauen wir uns lieber die Praxis der Staatsanwaltschaft mit dieser Vorschrift an.
Die Strafverfolgungsbehörden, also vornehmlich Polizei und Staatsanwaltschaft, verfolgen und überwachen selbstverständlich Konsumenten und Abhängige von Betäubungsmittel, weil sie sich von diesen Personen durch Ausübung von Druck oder lediglich durch die reine Überwachung, weitere Erkenntnisse erhoffen wie z.B. woher bezieht ein Konsument seine Betäubungsmittel, um sodann den nächsthöheren mit demselben Ziel zu überwachen. Viele Konsumenten arbeiten auch als „Tippgeber“ für die Strafverfolgungsbehörden und werden so von diesen quasi als Belohnung mehr oder weniger in Ruhe gelassen. Jedenfalls hat die Überwachung „ entlang-der-Pyramide-hoch“ ihre natürlichen Grenzen, d.h. im mehrstelligen Kilobereich ist in der Regel Schluss für Strafverfolgungsbehörden und zwar aus unterschiedlichen Gründen:
Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen, aber ich möchte das Thema an dieser Stelle nicht vertiefen und zur Vorschrift des § 31 a BtMG zurückkehren.
Wichtig ist zunächst zu beachten, dass die Vorschrift den Gerichten lediglich die Möglichkeit gibt, von der Strafe abzusehen bzw. den Staatsanwaltschaften die Einstellungsmöglichkeit, d.h. man weiß nicht so genau, was passieren wird, wenn jemand mit einer geringen Menge zum Eigenverbrauch von der Polizei erwischt wurde.
Die Art der Betäubungsmittel (z. B. Marihuana oder Heroin) wird bei der Frage, was passieren wird, ebenso eine Rolle spielen, wie das Vorstrafenregister, das Alter, das soziale Umfeld (verheiratet zu sein, Kinder zu haben und einen festen Arbeitsplatz kommt bei jedem Entscheidungsträger besser an wie ledig und arbeitslos).
Schließlich darf man auch nicht vergessen, dass es selbst innerhalb Deutschlands große Unterschiede macht, wo der Mandant mit Betäubungsmitteln erwischt wurde bzw. seinen Wohnsitz hat. In Berlin beispielsweise ist es vom Strafmaß wesentlich günstiger mit Betäubungsmitteln erwischt zu werden, als im Süden der Republik.
In Baden-Württemberg wäre es beispielsweise undenkbar, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Anbaus von Marihuana einstellt, auch wenn es sich nur um eine Pflanze handeln würde. Ich habe zumindest den Fall in meiner mehr als 10-jährigen Tätigkeit als Strafverteidiger nicht erlebt. Wenn aber der Grünen-Politiker Cem Özdemir in einem youtube-Video zu sehen ist, wie er sich den obligatorischen Eimer Wasser über den Kopf schüttet und dabei auf seinem Balkon neben einer Marihuana-Pflanze steht, dann stellt die Berliner Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren schon mal gerne wegen (hypothetisch) geringer Schuld ein. Cem Özdemir nutzte freilich das Ermittlungsverfahren gegen ihn aus, um auf politischer Ebene Punkte für Legalisierungskampagnen der Grünen zu werben, indem er beispielsweise im Januar 2015 lautstark und medienwirksam gegen die Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft beschwerte:
„Dass das simple Platzieren einer Hanfpflanze in einem Internetvideo umfangreiche Ermittlungen nach sich zieht, zeigt, wie widersinnig die deutsche Drogenpolitik ist.“
Eine konkrete Begründung der Staatsanwaltschaft, warum das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, ist mir nicht bekannt. In den Medien ist allenfalls darüber spekuliert worden, dass es Cem Özdemir darum ging ein Zeichen zu setzen, statt tatsächlich Cannabis anzubauen. Hieran könnten wiederum Zweifel angebracht werden, zumal Cem Özdemir in einem Interview mit der Gala angab, dass er zwar „bekennender Nichtraucher“ sei, führt dann aber aus:
„aber wenn wir allerdings nach der Bundestagswahl mitregieren und den Cannabis-Konsum entkriminalisieren, dann würde ich zur Feier des Tages vielleicht eine Ausnahme machen. Aber nur, wenn Angie-oder Sigmar- mitraucht.“
In einer Welt, in der ein global player wie Philipp Morris plant eine Marihuana-Zigarre (sog. blunt) auf den Markt zu bringen, ist die Legalisierung von Marihuana in weiten Teilen der Welt wahrscheinlich nur noch eine Frage von überschaubarer Zeit.
Bis dahin gilt für alle Otto-Normal-Verbraucher in Deutschland, dass der Anbau von Marihuana – auch wenn man damit nur seinen Eigenverbrauch herstellen wollte – als Straftat, die verfolgt und auch eine Strafe nach ziehen wird.
Wichtig ist es auch zu beachten, dass selbst wenn die Polizei lediglich eine geringe Menge beim (potentiellen) Mandanten findet, ein ganzer Blumenstrauß an Ermittlungsmöglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden besteht, so kann eine Hausdurchsuchung angeordnet werden, die Führerscheinstelle kann bzw. wird benachrichtigt werden, Fingerabdrücke und Lichtbilder können auch gegen den Willen des (potentiellen) Mandanten aufgenommen werden, viele Polizeireviere gehen in der täglichen Praxis gegen den nicht anwaltlich vertretenen Beschuldigten so vor, dass sie ihn noch auf dem Polizeirevier nach der freiwilligen Abgabe einer DNA-Probe „fragen“, etc.
Alles schön, gut und möglicherweise interessant, aber langsam sollte das Kind beim Namen genannt werden. Beim Cannabis erfolgen neben den konkreten Zahlen auch weitere Hinweise allgemeinerer Art. Diese allgemeinen Hinweis gelten dann für die anderen Betäubungsmittel entsprechend. Die Darstellung der anderen Betäubungsmittel erfolgt ausschließlich unter Hinweis auf die konkreten Zahlen.
„Da diese Angaben von durchschnittlichen Reinheitsgraden von 6 Gewichtsprozent THC bei Marihuana ... bezogen auf im Handel vertriebene Kleinmengen ausgehen, können sie nur Anhaltspunkte für die Feststellung einer noch als gering anzusehenden Menge darstellen. Liegen daher Anhaltspunkte für eine von den zuvor aufgeführten Reinheitsgehalten abweichende Zusammensetzung vor, kann eine höhere oder niedrigere Menge des vorgefundenen Gemischs die Grenze bilden.“Wie bereits erwähnt ist Marihuana mit 6% THC-Anteil nicht mehr marktüblich (Beim letzten Hobby-Botaniker, den ich vertreten habe, lag der THC-Anteil der Blätter (!) seiner Pflanzen über 6 %, und die raucht bis heute immer noch keiner). Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Einstellung, Strafbefehl oder Anklage sind mit Hilfe der Verwaltungsvorschrift nicht leichter zu prognostizieren.
Die nicht geringe Menge von Betäubungsmittel spielt rechtlich eine entscheidende Rolle, weil durch das Überschreiten der nicht geringen Menge Strafschärfungen zu Ungunsten des Mandanten eintreten.
§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG eröffnet den Strafverfolgungsbehörden für jeden Verstoß einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren. Dort heißt es:
„Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.“
§ 30 a Abs. 1 BtMG eröffnet einen Strafrahmen von 5 (!) bis zu 15 Jahren, wenn jemand Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat., wobei anzumerken, dass eine Bande bereits ab 3 Personen angenommen werden kann. Absatz 2 derselben Vorschrift stellt dieselben Tathandlungen wie Absatz 1 (außer dem Anbau) auch für den Einzeltäter unter denselben Strafrahmen (!), wenn er dabei eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
Die Sorge des Gesetzgebers „international organisierte Drogensyndikate, die nicht nur mittels Kurieren (z.B. aus Holland oder über die nördliche bzw. südliche Balkanroute) Drogen in die BRD einschleusen, sondern auch Absatzorganisationen aufbauen und Maßnahmen für das Waschen und den Rückfluss der Gelder aus Rauschgiftgeschäften treffen, können Deutschland mit illegalen Drogen überschwemmen und mit illegalen Erlösen das deutsche Wirtschafts- und Finanzsystem unterwandern, veranlasste den Gesetzgeber mit dem OrgKG vom 15.7.1992 einen zusätzlichen verschärften Verbrechenstatbestand in das BtMG aufzunehmen. Mit einer Mindeststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe sollen Mitglieder straff organisierter und raffinierter Banden, die mit großen BtM-Mengen umgehen, hart getroffen und für lange Zeit aus dem Verkehr gezogen werden (Begründung BT Drs 12/989, 30).
Ich würde gerne mal die Gesichter von den an den Beratungen beteiligten Bundestagsabgeordneten im Gerichtssaal sehen, wenn drei 22 Jahre junge Menschen wegen der Vorschrift vor der großen Strafkammer angeklagt werden, wobei sie nicht als Bande, sondern in einem klassischem Verkäufer – Käufer – Läufer – Verhältnis stehen und von der organisierten Kriminalität und dem Zweck der Vorschrift soweit entfernt sind, dass man sie von der Vorschrift aus noch nicht einmal mit dem besten Fernglas der Welt sehen kann.
Ich möchte nichts gegen die Zielrichtung der Vorschrift anbringen, aber lautstarke Einwände gegen die zum Teil realitätsfernsten, abwegigsten und fast schon rechtswidrigen Anwendungen der Vorschrift im Alltag eines Strafverteidigers, frei nach dem Motto: „klagen wir halt mal das Bandendelikt an ...“
Mit den Vorschriften, die das Tatbestandsmerkmal der nicht geringen Menge enthalten, ist jedenfalls sehr ernst, couragiert und mit Weitblick vorzugehen.
Die Angaben zur nicht geringen Menge finden Sie ebenfalls in der obigen „Tabelle“. Ich hoffe, dass ich mit dem Beitrag einen groben Überblick über das Thema geben konnte. Für Anregungen, Hinweise und eigene Erfahrungen jedweder Art können Sie mich gerne über meine Emailadresse kontaktieren.